Bibliothekarische Erfahrungen mit Organisationsuntersuchungen durch Unternehmensberatungen
- Ergebnis einer Umfrage in der E-Mail-Diskussionsliste Inetbib -
Thomas Hilberer
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Am 10. Juni 1999 habe ich folgende Frage an Inetbib gestellt:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es waere mir lieber, wenn ich Ihnen die folgende Frage
nicht stellen muesste:
Hat jemand in dieser Runde Erfahrungen mit
Unternehmensberatungen?
Konkret:
gibt es eine Bibliothek, bei der eine Organisationsuntersuchung durch eine externe
Firma durchgefuehrt wurde, mit dem Ziel, eine moeglichst
hohe Zahl an "streichbaren" Stellen auszuweisen?
Falls ja, waere ich fuer eine kurze Nachricht direkt an
mich dankbar. "Aus gegebenem Anlass" :-( SEHR dankbar.
Mit trotzdem sonnigen Gruessen,
Ihr
Thomas Hilberer
Die große Zahl der Antworten hat mich überrascht - Organsisationsuntersuchungen von Bibliotheken scheinen derzeit sehr beliebt zu sein. Um so sinnvoller ist es, die mir mitgeteilten Erfahrungen weiterzugeben. Das Folgende versteht sich nicht als fachlicher Aufsatz, sondern als Ersatz für eine sehr lange E-Mail an die Diskussionsliste; es ist auch nicht fürs Internet aufbereitet, sondern für den Ausdruck gedacht. Namen und Orte werden natürlich keine genannt.
Ziele solcher Untersuchungen
Grundsätzlich kann man, platt ausgedrückt, zwischen "freundlichen" und "weniger freundlichen" Organisationsuntersuchungen unterscheiden. Erstere sind meist von der Bibliothek angeregt, und es geht dabei nicht, zumindest nicht in erster Linie, um das Einsparen von Sachmitteln und Stellen. Dabei kommt es allerdings häufig vor, daß Umschichtungen vorgeschlagen werden, z.B. im Rahmen der Integration von Fach- und Lehrstuhlbibliotheken in die Zentralbibliothek oder Verlagerungen von internen Abteilungen in den Benutzungsbereich. Ziele solch "freundlicher" Untersuchungen sind die Steigerung der Effektivität, die Verbesserung des Betriebsklimas, Einführung von Teamstrukturen etc. [1]
Um all dies geht es hier nicht, sondern um Untersuchungen, als deren Ergebnis eine möglichst hohe Zahl von
Stellenstreichungen bzw. Einsparungen an Sachmitteln von den Auftraggebern gewünscht wird.
Auswahl der Beratungs-Firma
- Hat die Firma Erfahrungen im Bibliotheks- oder wenigstens im Non-profit-Bereich?
- Beim DBI ist eine "Anbieterliste: Unternehmensberatung in und für Bibliotheken" erhältlich (Frau Biedermann, biedermann@dbi-berlin.de).
- Preis: genannt wurden Zahlen zwischen 130 und 600 TDM für Untersuchung einer durchschnittlichen Universitätsbibliothek. Wieviele Beraterstunden bekommt man dafür? Auch konkrete Vorschläge für
organisatorische Verbesserungen oder nur Hinweise auf Stellen, die wegfallen können?
- Wie will die Firma vorgehen? Welche Methoden?
Outsourcing
Wird gerne vorgeschlagen - man sollte sich darauf einstellen.
Benchmarking
- Eine beliebte Methode. Sie besteht darin, Leistungskennzahlen zu vergleichen, um sog. "Hebel" für Veränderungen zu finden. Man vergleicht z.B. Erwerbungs-, Bestands- und Ausleihzahlen verschiedener Bibliotheken miteinander und bringt sie in eine Beziehung zu den Personal- und Sachmitteln.
- Dabei werden Bibliotheken als Ganze wie auch einzelne Abteilungen miteinander verglichen.
- Benchmarking im engeren Sinne versucht, einen "Klassenbesten" zu bestimmen, an dem die
anderen "Klassenmitglieder" gemessen werden. Durch kontinuierliches Vergleichen sollen Unterschiede und
Verbesserungsmöglichkeiten herausgefunden werden.
- Problematisch ist dies Verfahren dadurch, daß meist rein quantitativ vorgegangen wird: z.B. wird bei den Erwerbungszahlen nicht berücksichtigt, ob es sich um deutsche Verlagsprodukte oder graue Literatur handelt; oder es werden die Ausleihzahlen von Magazinbibliotheken mit solchen von Bibliotheken mit großem Freihand-Bestand miteinander verglichen. Hier machen sich die mangelnden Erfahrungen der Firmen mit Bibliotheken negativ bemerkbar.
Vorschläge durch Bibliotheksmitarbeiter
Variante A
- Angesprochen wird der Vorgesetzte.
- Es beginnt mit einem Vor-Interview: was man denn so alles mache.
- Dann wird man aufgefordert, selbst Einspar-Vorschläge zu entwickeln: "Sie haben 7 Mitarbeiter in der Katalogisierung, machen Sie Vorschläge, wie die gleiche Arbeit von 6 Mitarbeitern ausgeführt werden kann."
- Am besten wäre es, man würde sich selber wegstreichen. Und hinterher sind es die eigenen Vorschläge, wie verwirklicht werden...
Variante B
- Zitat aus einem Erfahrungsbericht, der sehr kritisch von einer durchgeführten Untersuchung berichtet:
"[...] wir sind im vorigem Jahr von der
Unternehmensberatung [...] durchleuchtet worden. Ziel war die
Optimierung der "Geschäftsprozesse" und die Identifizierung von
Einsparungspotentialen. [...] Das ganze war ein zeitfressendes Kasperltheater, ich hatte mir eigentlich
erwartet, vom Know how der Leute profitieren zu können. Das Problem
war nur, die hatten keines. Die Technik bestand nur darin - und das ist nach meinen Beobachtungen überall so - das know how der Mitarbeiter auszuschöpfen und die vielen Vorschläge, die es ja überall gibt, in eine
gut organisierte Unterlage zu gießen."
- In dem Zusammenhang ist es wichtig, daß unter den Kolleginnen und Kollegen eine große Solidarität und eine hohe Identifikation mit dem Ganzen herrscht - wofür leider meist von verantwortlicher
bibliothekarischer Seite viel zu wenig getan wird.
- Sonst ist die Gefahr groß, daß "Einspar-Vorschläge" von Kollegen aus purer Mißgunst gemacht werden.
- Deshalb sollten die Mitarbeiter der Beratungsfirma ständig von einem Bibliothekar begleitet werden.
Zeitaufschreibungen, Refa-Methoden
- Anders als oft befürchtet, werden solche Methoden nicht immer angewendet. Zudem muß nicht der einzelne Mitarbeiter befragt werden, oft wird lediglich der Abteilungsleiter gefragt.
- Weichen die von mehreren Kollegen für die gleiche Tätigkeit angegebenen Zeiten voneinander ab, so wird ein Wert geschätzt.
Mögliche Strategien
- Betonen des Dienstleistungsspektrums der Bibliothek.
- "Wir machen genau das, was unsere Benutzer bzw. Kunden von uns wollen."
- Man kann selber Vorschläge für Einsparungen machen, sollte diese aber mit der Benennung von Dienstleistungen verknüpfen. Beispiel: "Wenn die Uni einverstanden ist, öffnen wir in Zukunft nur noch am Vormittag - und können dafür 12 Stellen erübrigen". Den Kunden muß klar sein, welche Dienste wegfallen.
Anmerkungen
[1]
Siehe: Marlene Nagelsmeier-Linke/Daniela Scholz, Dortmund: Organisationsentwicklung in
Zusammenarbeit mit einer Beratungsfirma; das Beispiel der UB Dortmund.- Vortrag, gehalten am 28.5.1999 auf
dem 89. Deutscher Bibliothekartag 1999 in Freiburg im Breisgau
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Letzte Änderung: 19.07.01 10:59:32.
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